Im Jahr 1560 wurde Gerd Hinrichs in Wiefelstede geboren, einem Dorf, das damals zum Herzogtum Oldenburg gehörte. Er war ein Köter, also ein kleiner Landbesitzer – kein Großbauer, aber auch kein Landloser. Wer ein eigenes Haus besaß, hatte einen festen Platz in der Dorfgemeinschaft.

Gerd Hinrichs - Quelle Ortsfamilienbuch

Sein Sohn Gerdt (Gertt) errichtete im Jahr 1587 ein Bauernhaus, das bis heute erhalten ist – über vier Jahrhunderte hinweg. Es wurde als Zweiständerhaus gebaut mit einem Reetdach gedeckt – eine typische Bauweise für ammerländer Bauernhäuser, die nicht nur Schutz bot, sondern auch von Beständigkeit, vielleicht auch von Stolz zeugt.

Das Haus – genannt Hinnershus – trug eine Hausmarke, eine Art Sippenzeichen, das Eigentum, Herkunft und Identität ausdrückte. Hausmarken waren in bäuerlichen Kreisen weit verbreitet, älter als Wappen, und oft über viele Generationen hinweg gleichbleibend. Die Marke von Gerdt Hinrichs ist seit 1587 belegt, sein Name wird 1643 erstmals urkundlich als Ahnherr erwähnt

Stammhaus Wiefelstede im Jahr 2004Hausmarken
Das Stammhaus in Wiefelstede (links) – 2004 fotografiert Hausmarken der Familie Hinrichs im Ammerland (Quelle: https://www.familienkunde-oldenburg.de/ )
Ahnentafel im Spieker in Bad ZwischenahnWolfsangel mit drei Rosen von Carl Hinrichs
Die Marke 6609 befindet sich auch im oberen Geschoss des Spiekers in Bad Zwischenahn auf einer der Holztafeln, in denen Hausmarken aus dem Ammerland dargestellt werden. Die Marke oben ist von meinem Vater Carl Hinrichs entworfen worden – eine Erweiterung der Hinrichs-Marke aus Wiefelstede durch die drei Rosen der Freimaurer – der Loge war er in NewYork (USA) nach seiner Auswanderung nach Amerika aus Dankbarkeit beigetreten.

Was bedeutete es, damals ein Haus zu bauen?

Ein Haus zu errichten bedeutete im 16. Jahrhundert weit mehr als heute. Es war ein Akt der Selbstvergewisserung – ein Zeichen, dass man ankommen und bleiben wollte. In einer Zeit, in der viele Menschen als Knechte oder Tagelöhner lebten, war ein eigenes Haus mit Grundbesitz der erste Schritt zur Sicherheit. Es bedeutete: „Meine Familie hat hier Wurzeln.“

Der Hausbau selbst war eine große Leistung. Man war auf lokale Materialien angewiesen: Feldsteine, Lehm, Holz – alles musste beschafft und in Gemeinschaftsarbeit verarbeitet werden. Ein Reetdach musste regelmäßig gepflegt werden, bot aber hervorragenden Schutz gegen Wind und Wetter.

Die Zeit um 1587 – Leben im Umbruch

Gerd Hinrichs lebte in einer Epoche großer Umwälzungen: Die Reformation hatte das religiöse Leben verändert, die politischen Verhältnisse waren instabil. Der Dreißigjährige Krieg war zwar noch nicht ausgebrochen, doch die Spannungen zwischen den Konfessionen, Fürsten und Bauern waren spürbar. In dieser Zeit ein Haus zu bauen war nicht nur ein praktisches Vorhaben, sondern ein Statement – ein stiller Akt von Mut und Hoffnung.

Dass dieses Haus heute noch steht – wenn auch renoviert – ist ein beeindruckendes Zeugnis vergangener Generationen. Es atmet Geschichte. Und mit jeder Steinreihe und jedem Balken erzählt es vom Leben eines Mannes, der seinen Platz in der Welt gefunden hatte – und damit den Grundstein für viele legte, die nach ihm kamen.

August Hinrichs schreibt dazu 1937:

Mitten im oldenburgischen Ammerland, zwischen Eichenwäldern, Weiden und Äckern, liegt das uralte Kirchdorf Wiefelstede. Es ist nicht groß, in unregemläßigen Haufen drängen sich die Höfe nachbarlich eng zusammen, alle nach Niedersachsenart gebaut mit niedrigen Mauern und möchtigen Strohdächern, die sich grau und verwittert unter hohen Baumkronen verstecken.
Hier steht das alte “Hinnershus”, das Stammhaus der Hinrichs, als eins der ältesten Häuser des Dorfes. Im Unterlag neben dem Herdfeuer fand sich unter einem mächtigen Eichenbalken die Jahreszahl 1587, erhaben aus dem vollen Holz herausgeschnitzt. Aus derselben Zeit stammt die Hausmarke des Hofes, zwei nebeneinanderstehende Wolfsangeln, die älteste Hausmarke des Ammerlandes.
In diesem alten Haus ist mein Vater geboren, wie vor ihm Großvater und Elterväter geboren und abwechselnd auf die Vornamen Gerd, Diedrich oder Hinrich getauft wurden, in endloser Kette. Was vor diesem Haus jenseits der Jahreszahl 1587, gewesen ist, bleibt dunkel….
Auch das alte Hinnershus hat sich gewandelt. Vetter Gerd, der Erbhofbauer, hat viel Ödland kultiviert und seinen Viehstapel gewaltig vermehrt. Da wurde das alte Haus freilich zu eng – ein geräumiger Stall steht rechtwinklig daneben und sieht mit seinen mächtigen Mauern und seinem breiten Ziegeldach fast ein wenig mitleidig auf das grünschimmelige Strohdach hinab….
Quelle: Will Vesper (Hrsg.):”Die neue deutsche Literatur”, 1937

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